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Der Kluger-Hans-Effekt in der KI: warum wir aufhören müssen, Algorithmen zu vermenschlichen
Anthropomorphisierung ist die psychologische Tendenz, nicht-menschlichen Objekten menschliche Eigenschaften, Emotionen oder Intentionen zuzuschreiben. Der Begriff stammt aus dem Griechischen: "anthropos" (Mensch) und "morphe" (Form/Gestalt).

TLDR: Die KI-Revolution stösst an ihre Grenzen. Reasoning-Modelle wie GPT-4 zeigen fundamentale Schwächen: Sie erkennen Muster statt zu denken, versagen bei komplexen Aufgaben und erreichen ein Leistungsplateau. Die Ära des einfachen Skalierens ist vorbei - mehr Daten und Rechenleistung bringen keine proportionalen Verbesserungen mehr. Die vermeintlichen "Denkfähigkeiten" moderner KI entpuppen sich als ausgeklügelte Mustererkennung, die bei neuen Problemen oft versagt.
Das grosse KI-Plateau: Warum Reasoning-Modelle an ihre Grenzen stossen
Die Künstliche Intelligenz erlebt gerade einen weiteren, grossen Realitätscheck. Nach Jahren euphorischer Fortschritte und Versprechungen immer intelligenterer Maschinen zeigen aktuelle Forschungsergebnisse ein ernüchterndes Bild: Selbst die fortschrittlichsten KI-Modelle haben ein Leistungsplateau erreicht, das sich nicht durch mehr Daten oder Rechenleistung überwinden lässt.
Und diese goldenen Jahre der KI-Entwicklung basierten auf einem einfachen Prinzip: mehr ist besser. Mehr Daten, mehr Parameter, mehr Rechenleistung sollten automatisch zu intelligenteren Systemen führen. Diese Strategie funktionierte beeindruckend - bis jetzt. Jeremy Kedziora von der Milwaukee School of Engineering warnt deutlich: Die Ära der exponentiellen Verbesserungen durch Skalierung geht zu Ende, weil die verfügbaren Internetdaten nicht mehr exponentiell wachsen.
Das Problem liegt in der abnehmenden Informationsdichte. Während das Internet weiterhin wächst, sinkt der tatsächliche Wert neuer Inhalte für das KI-Training dramatisch. Kedziora bringt es auf den Punkt: "Was ist der Informationsgehalt des zehnmilliardsten Katzenbildes? Wahrscheinlich viel weniger als der des ersten." Diese sogenannte "AI Data Wall" beschreibt den Punkt, an dem zusätzliche Daten keine signifikanten Verbesserungen mehr bewirken.
OpenAIs neuestes Modell Orion verdeutlichte diese Problematik exemplarisch. Berichte zeigen nur moderate Verbesserungen gegenüber GPT-4, insbesondere bei Programmieraufgaben. Der Sprung von GPT-3 zu GPT-4 war deutlich grösser als der von GPT-4 zu Orion - ein klares Indiz dafür, dass die traditionellen Skalierungsgesetze ihre Wirksamkeit verlieren. Ilya Sutskever, ehemaliger OpenAI-Gründer, fasst diese Entwicklung treffend zusammen: "Die 2010er waren die Jahre des Skalierens. Nun befinden wir uns wieder in einem Zeitalter des Wunderns und Entdeckens."
Reasoning-Modelle: Mehr Schein als Sein
Reasoning-Modelle galten als der nächste grosse Durchbruch - KI-Systeme, die scheinbar logisch denken und komplexe Probleme durchdenken können. Die Realität sieht jedoch anders aus. Eine umfassende Studie von Apple-Forschern zu Large Reasoning Models offenbart erschreckende Limitationen: Diese Modelle erleben bei komplexeren Aufgaben einen vollständigen Genauigkeitskollaps.
Die Forschungsergebnisse identifizieren drei kritische Leistungsbereiche: Bei einfachen Aufgaben übertreffen überraschenderweise Standard-Sprachmodelle die Reasoning-Modelle. Bei mittlerer Komplexität zeigen die zusätzlichen "Denkprozesse" tatsächlich Vorteile. Bei hoher Komplexität jedoch versagen beide Modelltypen vollständig. Diese Erkenntnisse stellen die grundlegende Annahme in Frage, dass mehr "Denken" automatisch zu besseren Ergebnissen führt.
Besonders problematisch ist das kontraintuitive Skalierungsverhalten: Die Reasoning-Anstrengungen der Modelle steigen zunächst mit der Problemkomplexität, nehmen dann jedoch wieder ab, obwohl ausreichend Rechenkapazität zur Verfügung steht. Das deutet darauf hin, dass die Modelle nicht wirklich "denken", sondern komplexe Muster abarbeiten, die bei schwierigen Problemen versagen.
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Der Kluger-Hans-Effekt in der KI
Ein besonders aufschlussreiches Phänomen ist der sogenannte Kluger-Hans-Effekt, benannt nach einem Pferd, das scheinbar rechnen konnte, aber tatsächlich nur auf subtile Hinweise seiner Trainer reagierte. KI-Modelle zeigen erschreckend ähnliches Verhalten, indem sie richtige Antworten aus völlig falschen Gründen geben.
Forscher:Innen der TU Berlin entdeckten ein exemplarisches Beispiel: KI-Modelle zur medizinischen Bildanalyse erkannten nicht die eigentlichen Krankheitssymptome, sondern stützten sich auf handschriftliche Notizen am Bildrand. Ein weiteres Beispiel aus der Militärtechnik zeigt eine KI zur Panzer-Erkennung, die nicht zwischen deutschen und amerikanischen Panzern anhand ihrer technischen Merkmale unterschied, sondern anhand der Hintergründe - Wald für deutsche, Wüste für amerikanische Panzer.
Diese Fehlschlüsse bleiben oft unentdeckt, bis die Modelle in der Praxis mit anderen Datenverteilungen konfrontiert werden. Sie verdeutlichen ein fundamentales Problem: KI-Modelle entwickeln kein echtes Verständnis der Probleme, die sie zu lösen scheinen, sondern verlassen sich auf statistische Korrelationen in ihren Trainingsdaten.
Chain-of-Thought: Das Scheitern des "lauten Denkens"
Die Chain-of-Thought (CoT) Methodik wurde als Durchbruch für das logische Denken in KI-Modellen gefeiert. Dabei sollen die Modelle ihre Denkschritte explizit darlegen, um zu besseren Ergebnissen zu gelangen. Eine umfassende Studie mit 16 state-of-the-art Sprachmodellen und neun verschiedenen Datensätzen liefert jedoch ernüchternde Ergebnisse: CoT und verwandte Reasoning-Varianten schneiden konsistent schlechter ab als direktes Antworten.
Die Forschung identifiziert eine fundamentale "Explizit-Implizit-Dualität" als Ursache für CoTs Unterperformance. Während explizites Reasoning aufgrund der Schwierigkeiten der Modelle beim Erkennen zugrundeliegender Muster aus Demonstrationen versagt, wird implizites Reasoning durch die erhöhte kontextuelle Distanz der CoT-Begründungen gestört. Selbst Long-CoT Reasoning-Modelle, die in abstraktem und symbolischem Denken brillieren, können diese Limitationen trotz höherer Rechenkosten nicht vollständig überwinden.
Apple-Forscher haben diese Schwächen in einer Studie zu mathematischen Problemen systematisch dokumentiert. Ihre Untersuchung zeigt, dass Sprachmodelle dramatische Leistungseinbussen erleiden, wenn mathematische Probleme nur geringfügig umformuliert werden, auch wenn die zusätzlichen Informationen völlig irrelevant sind. Ein exemplarisches Beispiel: Wenn zu einem einfachen Additionsproblem die Information hinzugefügt wird, dass fünf der Früchte kleiner als der Durchschnitt waren, subtrahieren sowohl OpenAIs als auch Metas Modelle fälschlicherweise diese fünf Früchte vom Gesamtergebnis.
Strukturelle Limitationen der KI-Architektur
Die aktuellen Limitationen sind keine oberflächlichen Probleme, die durch besseres Training gelöst werden könnten. Sie spiegeln fundamentale Schwächen in der zugrundeliegenden Architektur wider. KI-Modelle operieren durch die Vorhersage des nächsten Textbausteins basierend auf gelernten Mustern, verfügen aber über kein echtes Verständnis der diskutierten Konzepte.
Diese Mustererkennung kann bei bekannten Problemen gut funktionieren, versagt aber bei neuartigen oder komplexen Situationen, die echtes Verständnis erfordern. Die Modelle zeigen drei Hauptkategorien von Reasoning-Limitationen: mangelndes echtes Verständnis, Abhängigkeit von Datenqualität und Schwierigkeiten im Umgang mit Kontext und Mehrdeutigkeit.
Die Analyse der aktuellen KI-Entwicklung zeigt dabei deutlich, dass die Ära des einfachen Skalierens zu Ende geht. Reasoning-Modelle, die als nächster grosser Durchbruch angepriesen wurden, zeigen fundamentale Limitationen, die nicht durch mehr Daten oder Rechenleistung überwunden werden können. Die vermeintlichen Denkfähigkeiten erweisen sich oft als ausgeklügelte Mustererkennung, die bei neuen oder komplexeren Problemen versagt.
Die Zukunft der KI-Entwicklung erfordert einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Anstatt auf quantitative Verbesserungen zu setzen, müssen Forscher:innen und Entwickler:innen qualitative Innovationen in Architektur, Trainingsmethoden und Evaluationsverfahren vorantreiben. Die Erkenntnis, dass "Denken" in aktuellen KI-Systemen tatsächlich oft "Glücksache" ist - basierend auf zufälligen Mustern in Trainingsdaten anstatt auf echtem Verständnis - sollte zu einem realistischeren Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen künstlicher Intelligenz führen.
Der Weg zu echter künstlicher Intelligenz wird länger und komplexer sein als ursprünglich angenommen. Die aktuellen Limitationen sind nicht nur technische Hürden, sondern spiegeln fundamentale Herausforderungen beim Übergang von Mustererkennung zu echtem Verständnis wider. Nur durch die Anerkennung dieser Grenzen und die Entwicklung völlig neuer Ansätze kann die KI-Forschung über das aktuelle Plateau hinauswachsen.
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
Das grosse KI-Plateau markiert einen Wendepunkt in der Technologieentwicklung:
Skalierungsgesetze versagen: Mehr Daten und Rechenleistung führen nicht mehr zu proportionalen Verbesserungen
Reasoning-Modelle zeigen fundamentale Schwächen: Bei komplexen Aufgaben erleiden sie einen vollständigen Genauigkeitskollaps
Der Kluger-Hans-Effekt: KI gibt richtige Antworten aus falschen Gründen und entwickelt kein echtes Verständnis
Chain-of-Thought scheitert: Explizites "Denken" führt konsistent zu schlechteren Ergebnissen als direktes Antworten
Strukturelle Limitationen: Die aktuelle Architektur basiert auf Mustererkennung statt echtem Verständnis
Selbstkritik ist ein Mythos: Modelle können ihre eigenen Fehler nicht zuverlässig erkennen oder korrigieren
Paradigmenwechsel erforderlich: Die Zukunft liegt in qualitativen Innovationen statt quantitativer Skalierung
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Disclaimer: dieser Artikel wurde nach meinem eigenen Wissen und dann mit Recherchen mit KI (Perplexity.Ai und Gemini.Google.com) manuell zusammen gestellt und mit Deepl.com/write vereinfacht. Der Text wird dann nochmals von zwei Personen meiner Wahl gelesen und kritisch hinterfragt. Das Bild stammt von einem Screenshot und ist selbst erstellt. Dieser Artikel ist rein edukativ und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte melde dich, wenn Du Ungenauigkeiten feststellst, danke.
Quellen:
Apple Inc. (2024). The illusion of thinking: Examining reasoning capabilities in large reasoning models. Machine Learning Research. https://machinelearning.apple.com/research/illusion-of-thinking
Business Insider Deutschland. (2024). Nächste ChatGPT-Version nur leicht verbessert: KI-Branche auf Zenit. https://www.businessinsider.de/wirtschaft/international-business/naechste-chatgpt-version-nur-leicht-verbessert-ki-branche-auf-zenit/
Computing. (2024). Researchers find flaws in LLM reasoning. https://www.computing.co.uk/news/2024/ai/researchers-find-flaws-llm-reasoning
Kedziora, J. (2025). AI expert says large language model development nearing plateau. Wisconsin Business. https://www.wisbusiness.com/2025/ai-expert-says-large-language-model-development-nearing-plateau/
Milvus. (2024). What are the main limitations of AI reasoning models. AI Quick Reference. https://milvus.io/ai-quick-reference/what-are-the-main-limitations-of-ai-reasoning-models
Science Media Center Deutschland. (2024). Skalierung und Reasoning: Wie geht es mit Sprachmodellen weiter? https://sciencemediacenter.de/angebote/skalierung-und-reasoning-wie-geht-es-mit-sprachmodellen-weiter-25014
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